Ror Wolf in memoriam
Die Villanelle ist eine ungemein anspruchsvolle Gedichtform: 6 Strophen mit dem Reimschema ABA ABA ABA ABA ABA ABAA (d.h. es gibt nur zwei Reime), wobei die erste und dritte Zeile der ersten Strophe abwechselnd die nächsten 4 Strophen beenden und zusammen die letzten beiden Zeilen der letzten Strophe bilden. Der unermüdlich wiederholte Reim und die immer wiederkehrenden Zeilen haben einen fast hypnotischen Effekt—sie schaffen einen Gedankenkreis, aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint.
Eine Villanelle zu schreiben, die nicht gekünstelt klingt, ist eine Herausforderung. Der hab ich mich gestellt, allerdings in einem eher humorvollen Zusammenhang, als Hommage für Ror Wolf, den von mir sehr geschätzten Stammvater des deutschen Fußballgedichts.
© Ulrich Flemming
Der Ball ging heut nicht rein,
Trotz einundzwanzig Schüssen.
Es hat nicht sollen sein.
Mit einer falschen Neun
Wollt' es der Trainer wissen.
Der Ball ging heut nicht rein.
Doch mit 'ner echten Neun
Hätten wir siegen müssen.
Es hat nicht sollen sein.
Die spielten nur klein-klein
Mit Blei in ihren Füßen.
Der Ball ging heut nicht rein.
Der Coach sah mürrisch drein
Und fand es „echt beschissen“.
Es hat nicht sollen sein.
Wir werden, als Verein,
nun damit leben müssen.
Der Ball ging heut nicht rein.
Es hat nicht sollen sein.
Addendum: Offenbar inspiriert von meiner Villanelle hat mein Freund Thomas Kreifelts eine Meta-Villanelle verfasst.
Mesopotamian seals and the birth of writing
2 hours ago
4 comments:
Funny, Ulrich!
Für interessierte Leser: Die berühmteste englische Villanelle ist vielleicht "Do not gently into that good night" von Dylan Thomas.
Noch nie was von der Reimform gehört, auch nicht von Ror Wolf, dafür aber von Ulrich Flemming, der zaubert rein den Reim!
SEHR schön Ulrich!
Gratuliere ! Ulrich.
Es liest sich wirklich leicht der Reim. Das Leichte zu kreieren, ist oft das Schwerste. Danke für die Erinnerung an Tor Wolf.
Post a Comment